Es gibt politische Themen, die die Gesellschaft, aber auch Parteien spalten können. Ein solches Thema ist und war die Feste Fehmarnbelt-Querung (FFBQ). Die feste Verbindung zwischen Lolland und Fehmarn hat die SPD-Ostholstein und die Landespartei immer wieder beschäftigt. Sobald es sowohl um Natur- oder Artenschutz als auch um Verkehrspolitik ging, gab es keine Möglichkeit der Auseinandersetzung der Gegner und Befürworter der FFBQ zu entgehen. Das war für die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein ein sehr schwieriges Thema.
Um alles in die richtigen Bahnen zu lenken wurde ein Beteiligungsverfahren in Arbeitsgruppen begonnen. Die Zwischenstände wurden in Sitzungen des Landesparteirates vorgetragen und diskutiert. Ziel war es, für den Landesparteitag im April 2011 einen Antrag zur Abstimmung zu bringen, der die Fronten der Gegner und Befürworter einigen soll.
Die Überschrift des Antrages damals hieß: FFBQ, ja, aber!
Der Leitsatz beschrieb die Akzeptanz des Tunnels unter bestimmen Voraussetzungen, die sich nicht nur auf den Tunnel selbst sondern auch mit der damit verbundenen Hinterlandanbindung auseinander gesetzt hat:
Bei einer Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung fordert die SPD Schleswig-Holstein für die Ausgestaltung der von der Bundesrepublik Deutschland übernommenen Hinterlandanbindung, als eine der wesentlichsten Forderungen,
anstelle eines Absenktunnels einen Tunnelbau im Bohrvortrieb zu favorisieren.
Diese Forderung ist bis heute nicht erfüllt.
Das laufende Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigt sich ja gerade mit den Umweltauswirkungen. Damals haben wir von den Riffen nichts gewusst. Heute zeigt sich, dass die Forderung des Bohrtunnels seine Berechtigung hatte und hat.
Weiterhin wurde zwar ein öffentlich moderiertes Verfahren bei der Planung der Hinterlandanbindung durchgeführt, man hat sich aber immer geweigert über das „ob“ zu diskutieren. Es war nur akzeptiert das „wie“ zu behandeln.
Auch die Erreichbarkeit der Kurorte, z.B. mit der Einrichtung einer Bäderbahn, spielte letztlich nur eine untergeordnete Rolle, breites Interesse konnte dafür nicht geweckt werden. Damit hat man sich hier auch gegen eine Verkehrswende hin zur Bahn und weg vom Individualverkehr entschieden.
Die Umfahrung der Orte Bad Schwartau, Lensahn und Großenbrode ist nicht wirklich versucht worden. Somit fahren die Züge weiter durch die Orte. Dass damit ein erhöhter Lärmschutz für diese Bereiche einhergehen muss, war nur für die Ostholsteiner*innen klar. Nicht aber für die Planer*innen und die Deutsche Bahn.
Damals war ich als Kreisvorsitzender der SPD-Ostholstein die Stimme der Gegner der FFBQ für meine Partei und habe das oben beschriebene Verfahren mit initiiert und begleitet. Bis heute finde ich den gefundenen Kompromiss richtig und gut. Und bis heute fordere ich die Landespartei auf, sich an die Beschlüsse zu halten. Es muss weiter viel mehr Druck seitens der Landespartei erzeugt werden, damit sie ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird. Ansonsten verkommen Beschlüsse auf Landesparteitagen zur Farce. Von daher überwiegt auch heute noch das ABER, nicht das Ja.
Lars Winter
SPD-Kreisvorsitzender Ostholstein von 2009-2016
Der Antrag, die Änderungsanträge und der Beschluss können hier nachgelesen werden: http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Landesparteitag_Husum_2011#Fehmarn-Belt-Querung
NABU zur
Festen Fehmarnbeltquerung
Im September 2020, vor Beginn des Prozesses in Leipzig, fand ein Zoom-Gespräch der SPD SH mit Malte Siegert, Leiter der Umweltpolitik des NABU statt. Er hat uns seine Präsentation zur Verfügung gestellt. FFBQ_Gespraech_SPD_SH_170920
Das BVG weist Klagen gegen die Feste Fehmarnbeltquerung ab
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die bei ihm anhängigen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den deutschen Vorhabenabschnitt der Festen Fehmarnbeltquerung von Puttgarden nach Rødby abgewiesen.
Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Januar 2019 ist ein kombinierter Straßen- und Eisenbahntunnel, der die Insel Fehmarn mit der dänischen Insel Lolland verbinden soll. Der Tunnel ist rund 18 km lang; etwa die Hälfte davon entfällt auf den deutschen Vorhabenteil. Das Bauwerk ist bis zu 47 m breit und bis zu 13 m hoch. Es wird aus Fertigelementen zusammengesetzt. Diese werden in einer eigens hierfür auf Lolland errichteten Fabrik hergestellt und dann in eine auf dem Meeresboden gegrabene Rinne abgesenkt. Der Tunnel umfasst in getrennten Röhren eine vierstreifige Straße, eine zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke sowie einen Wartungs- und Evakuierungskorridor. Nach dem der Planung zugrundeliegenden deutsch-dänischen Staatsvertrag von 2009 wird Dänemark die Feste Fehmarnbeltquerung auf eigene Kosten errichten und betreiben. Zu diesem Zweck hat Dänemark eine private Gesellschaft gegründet. Die Kosten sollen über Mautgebühren und Schienen-Nutzungsentgelte refinanziert werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte über insgesamt sechs Klagen zu entscheiden. Kläger sind zwei Umweltverbände, drei Unternehmen – darunter die Betreiberin der bestehenden Fährlinie Puttgarden-Rødby – sowie die Stadt Fehmarn. Die Klageverfahren dreier weiterer Gemeinden sowie eines Landwirts wurden einvernehmlich beendet. Die noch anhängigen Klagen blieben ohne Erfolg.
Dem Vorhaben fehlt es nicht an der Planrechtfertigung. Der Verkehrsbedarf für die Feste Fehmarnbeltquerung ist gesetzlich festgestellt. Die Bedarfsfeststellung ergibt sich aus dem deutschen Zustimmungsgesetz zu dem Staatsvertrag. Daran ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden. Die Bindung entfällt nur, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist oder sich die Verhältnisse so grundlegend gewandelt haben, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden kann. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die EU-Kommission zählt die Fehmarnbeltquerung unverändert zu den fünf wichtigsten grenzüberschreitenden Projekten des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Die mit der Verwirklichung des Projekts verbundene Verkürzung der Fahrzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen wird absehbar zu einer Verlagerung von Verkehren führen, die derzeit mit einem erheblichen Umweg über den Großen Belt abgewickelt werden. Zwar bleibt auch dann das erwartete Kraftfahrzeugaufkommen deutlich unterhalb der durchschnittlichen Auslastung deutscher Autobahnen. Davon mussten die Vertragsstaaten aber den Bedarf für eine Anbindung der wesentlich dünner besiedelten und an der Peripherie Europas gelegenen skandinavischen Staaten an das kontinentaleuropäische Verkehrsnetz nicht abhängig machen.
Rechtswidrig ist die Planung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Finanzierbarkeit des Projekts. Die Finanzierung ist grundsätzlich weder Gegenstand der Planfeststellung noch ihrer gerichtlichen Überprüfung. Die zu Gunsten der Betreibergesellschaft vorgesehenen dänischen Staatsbeihilfen sind jedenfalls nicht evident europarechtswidrig.
Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen das Naturschutzrecht. So wurde zum Schutz der im Fehmarnbelt lebenden Schweinswale vor Baulärm ein vorsorglicher Grenzwert festgesetzt, der deutlich unter dem Quellpegel großer Schiffe und Fähren liegt. Für eine eventuell erforderliche Unterwassersprengung von Munitionsaltlasten werden Geräte zur Erzeugung eines sogenannten Blasenschleiers vorgehalten, der die Schallausbreitung um 90 % reduziert. Eingehende Untersuchungen haben auch plausibel gemacht, dass die Durchführung des Projekts kein erhebliches Störungs- oder gar Tötungsrisiko für Rastvögel, insbesondere die im Fehmarnbelt zahlreich überwinternden Eiderenten, bewirkt.
Im Hinblick auf die im Fehmarnbelt vorhandenen Riffe trägt die Planung ferner dem Biotopschutz hinreichend Rechnung. Die Vorhabenträger haben eine methodisch ordnungsgemäße Bestandsaufnahme erstellt. Sie durften sich dabei auf eine repräsentative Beprobung des Meeresbodens in dem großen Untersuchungsgebiet beschränken. Soweit Riffe im näheren Bereich der Tunneltrasse erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durch ein wissenschaftliches Forschungsprojekt der Universität Kiel erkannt worden sind, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Wegen des gesetzlichen Verbots, Biotope zu zerstören oder zu beschädigen, darf allerdings das Vorhaben in diesem Bereich nicht durchgeführt werden, ohne dass über eine Eingriffsvermeidung bzw. eine Befreiung von dem Verbot nachträglich entschieden wird. Zu diesem Zweck haben Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens angekündigt.
Bezüglich der Ausführungsvarianten des Tunnels durfte sich die Planfeststellungsbehörde für einen Absenktunnel und gegen einen Bohrtunnel entscheiden, obwohl dieser unter Umweltgesichtspunkten günstiger gewesen wäre. Denn ein Bohrtunnel hätte nicht nur ein Drittel höhere Baukosten verursacht, sondern wäre auch wegen des erforderlichen Durchmessers der Tunnelvortriebsmaschinen, der Länge der Bohrstrecke und des hohen Wasserdrucks mit unvertretbaren Risiken verbunden gewesen. Die Kosten wie auch die Baurisiken hätten sich zwar möglicherweise durch eine Verringerung des Querschnitts der Tunnelröhren reduzieren lassen. Solch ein „schlanker“ Bohrtunnel bliebe aber hinter dem für den Absenktunnel vorgesehenen Sicherheitsstandard zurück, den die Planfeststellungsbehörde wegen der Länge des Tunnels aus plausiblen Gründen für erforderlich hält.
Ein durchgreifender Abwägungsfehler ist der Behörde auch nicht in Bezug auf die Belange einzelner Kläger unterlaufen. Das gilt insbesondere für das Unternehmen Scandlines, das seinen Fährbetrieb auch nach dem Tunnelbau aufrechterhalten will. Der Fährhafen wird dann zwar über keine kreuzungsfreie Straßenanbindung mehr verfügen. Die Planung wurde aber noch im laufenden Verfahren optimiert, insbesondere durch eine eigene Einfädelungsspur vom Hafen auf die B 207 und verkehrsabhängig gesteuerte Ampeln, die auch künftig eine zügige Entleerung der Fähren ermöglichen.
Pressemitteilung Nr. 62/2020 des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom 03.11.2020
Planungsmängel werden zu Lasten von Ostseeschutz und Schiffssicherheit relativiert
Am 3. November 2020 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil im Verfahren über die Feste Fehmarnbeltquerung verkündet. Sechs Parteien – darunter die Stadt Fehmarn, das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung, der Umweltverband NABU und von dem Projekt betroffene Fährunternehmen – hatten gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt und sich jahrelang akribisch auf die öffentlichen Verhandlungstage im Oktober professionell und engagiert vorbereitet. Nun wurden ausnahmslos alle Klagen vom Gericht abgewiesen. Bettina Hagedorn, seit über 20 Jahren Gegnerin der Festen Fehmarnbeltquerung, zeigt sich tief erschüttert über das Urteil:
„Die Entscheidung und Urteilsbegründung der Richter in Leipzig habe ich in Berlin im Internet live verfolgt und die Argumente haben mich fassungslos gemacht. Wie wir wissen, hatte Femern A/S als Vorhabenträger den Ostseegrund nur stichprobenartig untersucht und deswegen schützenswerte Riffe angeblich nicht entdeckt, nicht kartiert und deswegen auch keinen Schutz geplant. Dass die Richter nun ausdrücklich diese Form der oberflächlichen Untersuchung in einem Ostseeschutzgebiet wörtlich als in Methodik und Umfang als ordnungsgemäß bewertet haben, ist für mich nicht nachvollziehbar, denn diese lückenhaften Untersuchungen von Femern A/S haben ja schließlich dazu geführt, dass diese Riffe überhaupt nicht gefunden wurden. Dass die von den Klägern entdeckten Riffe nun als Gegenstand eines Planergänzungsverfahrens nachträglich geschützt werden müssen, tröstet mich wenig, weil eine schlampige Planung damit großzügig nachträglich geheilt werden kann – dieses hat das Gericht im Urteil vorausgesetzt und immerhin ausdrücklich betont.
Aber auch weitere Planungsapekte, die vor Gericht strittig diskutiert worden waren, wurden vom Gericht nicht ernsthaft genug gewürdigt. Die Gefahren für die Schifffahrt durch diese wandernde Baustelle im Belt während der mehrjährigen Bauzeit wurden als temporäres Baustellenrisiko mit Verweis auf die von unabhängigen Dritten evaluierte Betriebsrisikoanalyse relativ knapp gewürdigt. Wenn man bedenkt, welche Gefahr durch eine mögliche Schiffskollision für unsere Ostseeregion verursacht werden könnte, macht mich das sprachlos.
Dieses Urteil ist zu respektieren, aber es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht einer Region, in der sich viele Menschen über ein Jahrzehnt ehrenamtlich und engagiert für den Ostsee- und Umweltschutz eingesetzt haben. Weder die viel zu optimistischen Verkehrsprognosen von Femern A/S noch die Schutzwürdigkeit der Schweinswale wurden offenbar ernsthaft kritisch gewürdigt – das ist bitter. Dennoch gilt an dieser Stelle mein Dank ausdrücklich all denen, die sich in Bürgerinitiativen, Verbänden und Kommunen seit Jahren friedlich, kompetent und beharrlich gegen die Feste Fehmarnbeltquerung eingesetzt haben. Ich kämpfe selbst seit 20 Jahren gegen den Bau der Festen Beltquerung und gebe diesen Kampf nicht auf, so lange nicht das erste dänische Tunnelelement in der Ostsee versenkt wurde.“